STATEMENT

ÜBERFALL AUF DIE UKRAINE. KRIEG IN EUROPA

Appell aus der AdB-Kommission Europäische und Internationale Bildungsarbeit

Russia is bombing missiles in almost all of our country. Volyn is currently being shelled. Unfortunately, we are not ready either morally or physically here … in pharmacies queues, at ATMs – too …. Education has stopped, everyone has to sit at home. I want to speak out. I want to believe everything will be fine. If we have to run away, please shelter our kids!

from a WhatsApp message of a Ukrainian cooperation partner

Der Angriff der russischen Streitkräfte auf das Territorium der Ukraine stellt einen zynischen und brutalen Bruch des Völkerrechts und die nihilistische Pervertierung der europäischen Friedensordnung dar.

Die derzeitigen Entwicklungen sind die bittere Konsequenz von Autoritarismus, Nationalismus, der Einschränkung demokratischer Grundrechte und freier Meinungsäußerung, der Unterdrückung von Zivilgesellschaft, von Wahlfälschungen und skrupellosem Umbau von Rechtsstaatlichkeit. Dies führt zum Krieg.

Die Aggression gegen Land, Menschen und die gewählte Regierung der Ukraine, einem souveränen europäischen Staat, erschüttert die Grundfesten der Friedensordnung, des de- mokratischen Miteinanders und negiert unsere grundlegenden Überzeugungen menschenrechtlicher und demokratischer Aushandlungsprozesse, auf denen Europa aufgebaut ist (z. B. Helsinki Schlussakte, OSZE Prozess, Europäische Menschenrechtskonvention).

Wir wissen nicht, wie sich die Situation des am 24. Februar 2022 ausgebrochenen völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen die Ukraine mittel- und langfristig entwickelt, in welcher Situation wir morgen aufwachen und welche Konsequenzen dies für das Aufwachsen junger Menschen zeitigt.

Als Akteur*innen politischer internationaler Bildungsarbeit im AdB fordern wir, die folgenden konkreten Schritte zu unternehmen:

 

… die Ukraine ins Blickfeld nehmen, um sie humanitär, moralisch und praktisch zu unterstützen.

Jugendliche überall in Europa sind den aktuellen Entwicklungen hilflos ausgeliefert und benötigen konkrete Unterstützung im Umgang mit dieser Situation. Europäische Jugend- politik schafft hierfür die Rahmenbedingungen.

Alle gestaltenden Ebenen europäischer Jugend-, Bildungs- und Grundrechtepolitik (EU, Re- gierungen, Vertreter*innen von NGO ́s und Jugendliche) müssen sich verstärkt ihrer eigenen politischen Rolle und Funktion innerhalb eines globalen Spannungsfeldes bewusstwerden. Wir sollten die bittere Wahrheit anerkennen, dass es unterschiedliche global-politische, wirtschaftliche und machtpolitische Interessen und Akteur*innen gibt, die die grundlegenden Überzeugungen menschenrechtlicher und demokratischer Aushandlungsprozesse, auf denen Europa aufgebaut ist, negieren.

Gleichzeitig muss europäische Jugendpolitik auch die menschlichen Grundbedürfnisse nach Würde, Gleichbehandlung und vor allem Frieden in den Fokus ihres Handelns stellen und diese aktiv befördern. Zivilgesellschaft spielt dabei eine eminent wichtige Rolle und muss subsidiär unterstützt werden.

Europäische (Jugend-)Politik darf sich nicht darauf ausruhen, dass die EU ein Staatenbündnis ohne Krieg innerhalb der eigenen Grenzen ist, sondern muss anerkennen, dass die Probleme in nächster Nähe auch die Menschen in der EU betreffen. Deshalb muss sie mehr Förderung und Bildungsarbeit möglich machen und Begegnung zwischen jungen Menschen unterstützen.

Wir rufen die europäischen Akteur*innen auf, die EU-Jugendstrategie und Jugendziele zum Kernbestandteil europäischer Demokratiepolitik zu machen.

Jetzt, da Europa insbesondere an den Entwicklungen in den EU-Partnerländern und Mit- gliedsstaaten des Europarats zu zerbrechen droht, müssen Jugend- und Bildungspolitiken in Europa demokratiebildende Verpflichtungen einlösen.

Die verschiedenen Felder europäischer Jugendpolitik und Bildungspolitik im Europarat, der EU und der OECD haben Geltung für Akteur*innen und Träger in ganz Europa und beziehen sich auf junge Menschen in ganz Europa. Von den Europäischen Programmen der Bildungs- und Jugendpolitik fordern wir daher die folgenden konkreten Maßnahmen:

  • Die EU Kommission ist gefordert das Eastern Partnership Window umgehend für Akteure der Zivilgesellschaft im östlichen Europa und den Programmländern zu öffnen.
  • Die derzeitigen Budgetreduzierungen im Programm Erasmus+ in der Kooperation mit Partnerländern sind umgehend zurückzunehmen.
  • Jugendliche aus der Ukraine sind direkt in laufende, bereits geförderte Programme und Projekte in Erasmus, Programm „Citizens, Equality, Rights and Values“ (CERV) und in das Europäisches Solidaritätskorps zu integrieren, auch wenn sie nicht Teil der Projektpartnerschaften sind.
  • Demokratieförderung muss an erste Stelle der Programme Erasmus+, Citizens, Equality, Rights and Values und Europäisches Solidaritätskorps und weitere gestellt werden – dies im Verbund mit den European Economic Area Mechanismen, aber auch im Verbund mit Initiativen der Open Society Foundation et al.
  • Programme für Jugendarbeit und politische Jugendbildungsarbeit müssen in den Ländern des Östlichen Europas im Rahmen der EU-Europarats-Youth Partnership aufgelegt werden.

… sich einmischen und anbieten. Frieden und Demokratie sind keine Selbstläufer. Politische Bildung darf nicht in einer Komfortzone verharren. Der Angriff auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf die Demokratie und auf offene Gesellschaften. Demokratie und Frieden sind nicht nur abstrakte Gegenstände non-formaler Jugendbildung. Vielmehr arbeiten wir als Akteur*innen kontinuierlich aktiv daran, verlässliche und tolerante Beziehungen zu etablieren sowie unterschiedlichen Erfahrungswelten und Meinungen Dialogräume zu verschaffen.

Wir müssen die unserer Arbeit zugrundeliegenden Fragen zu Krieg, Frieden, Völkerrecht, Rechtsstaatlichkeit und internationalen Verträgen nicht nur als Kernthemen und Fragen politischer Bildungsarbeit neu bearbeiten, sondern Fragen des Friedens, der Sicherheit, der Außenpolitik als Grundfragen unseres Arbeitsfeldes politischer Bildung verstehen und ganz klare Positionen beziehen. Hierzu sind Qualifizierungsangebote notwendig.

Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V. (AdB) als Verband der politischen Bildung ist aufgefordert, in allen Arbeitsbereichen thematisch und programmatisch entsprechende Prioritäten zu setzen. Wir haben keinen direkten Einfluss auf das Kriegsgeschehen, können aber den Menschen vor Ort Plattformen für Austausch bieten, Stimmen aus der Ukraine und der russischen Zivilgesellschaft auch in westeuropäischen Diskursen und gerade in Angeboten für Fachkräfte sichtbar machen.

Unsere Einrichtungen und Bildungsstätten können Gastorganisationen für Akteur*innen aus der Ukraine sein und politische Bildungsarbeit für Aktivist*innen öffnen und mit unseren Ressourcen auch die Möglichkeit bieten, deren Arbeit für Frieden und eine offene Gesellschaft fortzusetzen.

Wir fordern dazu auf, wenn nötig unsere Bildungsstätten für Geflüchtete zu öffnen.

Wir sollten verstärkt den Dialog mit den über 145.000 Angehörigen der ukrainischen Diaspora und ihren Migrant*innenorganisationen in Deutschland suchen.

In der Russischen Föderation und Belarus, den Staaten, von denen die Aggression ausgeht, ist Zivilgesellschaft lange und brutal unterdrückt, eine freie Meinungsäußerung ist lebensgefährlich. Als politische Bildner*innen müssen wir diejenigen stärken und unterstützen, die im Moment keine Stimme haben. Als Träger politischer Bildung sind wir gefragt, neue Kanäle und Kooperationswege einer langfristigen und sinnvollen Unterstützung zu su- chen.

Wir müssen dabei bewusst junge Menschen sowohl aus der Ukraine, aber auch – so schwierig das ist – aus der russischen und belarussischen Zivilgesellschaft in Programme einbeziehen und Hospitationen für Fachkräfte ermöglichen.

Auf der Arbeitsebene erhoffen wir uns einen intensivierten Austausch mit anderen europäischen Trägern und Akteur*innen der politischen Bildung, um den Wissens- und Erfahrungsaustausch über die Situation zu gewährleisten und gemeinsame Möglichkeiten des Umgangs auszuloten.

In unseren Einrichtungen/Trägern sollten wir Aktionen und Aktivitäten Jugendlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen zu diesem Thema unterstützen, um die unmittelbare Bedeutung sichtbar zu machen, aber auch, um dem Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit etwas entgegenzusetzen.

Politische Bildung ist gefordert, vom Zuschauen zu einem aktiven Einsatz zu kommen. Wir müssen Hilflosigkeit verlernen!

Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V. (AdB), die Mitglieder der AdB-Fachkommission Eu- ropäische und Internationale Bildungsarbeit am 25. Februar 2022

  • Christiansen, Brigitte; Freizeitwerk Welper e.V.
  • Coudray, Sterenn; Internationaler Bund (IB) – Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V.
  • Dallmann, Kirsten; Bildungsstätte Bredbeck – Heimvolkshochschule des Landkreises Osterholz
  • During, Carlotta; Europäische Akademie Berlin e. V.
  • Ebrem, Ibrahim Ethem; Teilseiend e.V.
  • Engelage, Navina; Gesamteuropäisches Studienwerk e. V.
  • Finzi, Niklas; aktuelles forum e. V.
  • Geier, Magdalena
  • Gerber, Jonas; Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein e. V.
  • Häckel, Simone; Stiftung wannseeFORUM
  • Hardten, Eggert; Mostar Friedensprojekt e.V.
  • Hartmann, Jenna; Europahaus Aurich – Deutsch-Niederländische Heimvolkshochschule e. V.
  • Kaiser, Martin; Gustav-Stresemann-Institut in Niedersachsen e. V. – Europäisches Bildungs- und Tagungshaus Bad Bevensen
  • Kalina, Dr. Andreas; Akademie für Politische Bildung
  • Kurth, Stephan; Soziale Bildung e.V.
  • Lange, Dennis; Waldritter e. V.
  • Mitevski, Darko; Naturkultur e.V.
  • Müller, Anna; Jugendbildungsstätte Bremen – LidiceHaus gGmbH
  • Pirker, Georg; Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V.
  • Rebitschek, Markus; Stiftung ‘Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar’
  • Schmidt, Dr. Robert; Akademie Biggesee gGmbH
  • Schneider, Jovanna; Internationales Forum Burg Liebenzell e. V.
  • Speer, Nicola; Europäische Akademie Otzenhausen gGmbH
  • Teiting, Katharina; Internationales Bildungs- und Begegnungswerk gGmbH
  • Utsch, Jonathan; Internationales Haus Sonnenberg – Sonnenberg-Kreis e.V.
  • Worrmann, Anne; Lernort Stadion e.V. im Haus der Fußballkulturen
  • Wötzel-Herber, Henning; ABC Bildungs- und Tagungszentrum e. V.
  • Ziemens, Kathrin; Anne Frank Zentrum e. V.